Platform Engineering: Was ist das und welchen Nutzen bringt es dem Unternehmen

Platform Engineering gewinnt rasant an Bedeutung als konkrete Antwort auf die zunehmende Komplexität von Cloud-Native-Architekturen. In einem Umfeld, in dem Unternehmen die Softwareentwicklung effizienter, skalierbarer und sicherer gestalten wollen, bietet dieser Ansatz eine neue Möglichkeit, IT-Infrastrukturen zu organisieren und zu automatisieren. Laut Gartner wird bis 2026 80% der Technologieorganisationen über ein dediziertes Platform-Engineering-Team verfügen – ein klares Zeichen dafür, dass dieser Bereich zu einem strategischen Hebel für Innovation geworden ist.
In diesem Artikel sehen wir uns an, warum Platform Engineering immer relevanter wird und wie es Unternehmen konkrete Vorteile bringen kann, indem es die Produktivität der Entwicklungsteams verbessert und die Nutzung der IT-Ressourcen optimiert.
Was ist Platform Engineering
Platform Engineering: Definition und geschäftlicher Kontext
Platform Engineering ist als Reaktion auf eine zentrale Diskussion in der Tech-Branche entstanden: Entwickler sollten sich nicht mit Infrastruktur beschäftigen müssen, insbesondere nicht in hybriden und Multi-Cloud-Umgebungen. Diese Disziplin begann sich etwa 2022 zu verbreiten, als Unternehmen einen weiteren Schritt in ihrer DevOps-Transformation gehen wollten.
Der Hauptgrund war die Notwendigkeit, die Herausforderungen durch die zunehmende Nutzung von Microservices und Containern zu bewältigen. Früher mussten Entwickler die für ihre Arbeit erforderlichen Tools selbst bewerten, auswählen oder sogar von Grund auf neu erstellen. Angesichts der heutigen Innovationsgeschwindigkeit wurde dieses Vorgehen untragbar: Täglich erscheinen neue Tools und Features, die bewertet und integriert werden müssen.
Diese kognitive Überlastung kostet wertvolle Zeit für die Produktentwicklung und das Erreichen der Unternehmensziele – ein Problem, das Platform Engineering gezielt löst.
Platform Engineering: Bedeutung und Unterschiede zur traditionellen IT
Platform Engineering bezieht sich auf die Entwicklung interner Toolchains und Arbeitsprozesse, die Mitarbeitenden die Selbstständigkeit in allen Softwareentwicklungsaktivitäten ermöglichen. Im Gegensatz zur traditionellen IT konzentriert sich Platform Engineering auf die Schaffung einer Abstraktionsschicht zwischen Entwickler und den zugrunde liegenden Systemen.
Im Zentrum dieses Ansatzes steht die Internal Developer Platform (IDP), ein internes Unternehmenswerkzeug, das als Vermittler zwischen Entwicklern und der Infrastruktur fungiert. Laut Gartner ist dies „Die Disziplin, interne Self-Service-Plattformen für die Softwarebereitstellung und das Lifecycle-Management zu erstellen und zu verwalten“.
Während die traditionelle IT häufig isoliert arbeitet, fördert Platform Engineering Standardisierung und Automatisierung, indem es Entwickler Self-Service-Möglichkeiten bietet, die den Zeitaufwand für administrative Aufgaben drastisch reduzieren.
Warum Unternehmen diesen Ansatz wählen
Unternehmen setzen aus mehreren strategischen Gründen auf Platform Engineering:
- Reduzierung der kognitiven Belastung: Entwickler können sich auf das Schreiben von Code konzentrieren, ohne sich um die zugrunde liegende Infrastruktur sorgen zu müssen.
- Skalierbarkeit und Standardisierung: Platform Engineering hilft, ein Set standardisierter Tools und Prozesse zu definieren, das vielen Entwicklungsteams innerhalb der Organisation dient.
- Zentrale Governance: Platform-Engineering-Teams stellen die Umsetzung verlässlicher Sicherheits- und Compliance-Frameworks in allen Umgebungen sicher.
Gartner prognostiziert: "Bis 2026 werden 80% der großen Software-Engineering-Unternehmen Platform-Engineering-Teams einrichten, die interne Dienste, Komponenten und wiederverwendbare Werkzeuge für die Softwarebereitstellung bereitstellen – gegenüber 45 % im Jahr 2022". Dieses rasante Wachstum zeigt, wie grundlegend Platform Engineering für Unternehmen geworden ist, die Innovation mit Kontrolle in Einklang bringen möchten.
Ein Beispiel: Ein SaaS-Unternehmen mit häufigen Releases kann die durchschnittliche Einarbeitungszeit für neue Entwickler um 40% verkürzen, indem es eine Internal Developer Platform einführt. Vorher waren manuelle Konfigurationen und Wartezeiten notwendig; jetzt reicht ein CLI-Befehl, um alles innerhalb weniger Minuten einsatzbereit zu haben.
Internal Developer Platform (IDP): das Herz des Platform Engineering
Im Zentrum des Platform Engineering stehen die Internal Developer Platforms (IDP), grundlegende Elemente, die die Art und Weise verändern, wie Unternehmen ihre Softwareentwicklungsprozesse verwalten.
Was sind IDPs und wie funktionieren sie
Internal Developer Platforms bestehen aus standardisierten Self-Service-Tools und -Technologien, die Entwickler verwenden, um Code während des gesamten Anwendungs-Lebenszyklus zu erstellen, bereitzustellen und zu warten. Von Platform-Engineering-Teams entwickelt, fungieren IDPs als Vermittler zwischen Entwicklern und der Infrastruktur, indem sie technische Komplexität abstrahieren und die kognitive Belastung reduzieren.
Im Gegensatz zu traditionellen Entwicklungsumgebungen sind IDPs keine bloße Sammlung von Tools, sondern echte interne Produkte, die individuell angepasst werden. Entwickler sind die Hauptnutzer dieser Plattformen, während Platform Engineers deren Konfiguration und Wartung übernehmen und sie auf Grundlage des Feedbacks kontinuierlich verbessern.
Toolchains und Automatisierung in Entwicklungsprozessen
Das operative Herzstück der IDPs bilden integrierte Toolchains, die den gesamten Entwicklungsprozess orchestrieren. Diese Toolsets ermöglichen:
- Standardisierung von Anwendungs-Konfigurationen
- Dynamische Orchestrierung der Infrastruktur
- Automatische Erstellung neuer Umgebungen
- Aufbau von Continuous-Delivery-Pipelines
IDPs vereinfachen die Interaktion mit der Infrastruktur, sodass Entwickler modulare Software bereitstellen können, ohne sich mit architektonischen Details auseinandersetzen zu müssen. Zudem ermöglichen sie die Definition von "Golden Paths" – standardisierte Abläufe für häufige Prozesse, die Entwickler durch die einzelnen Entwicklungsphasen führen und dabei Konformität und Fehlerreduktion sicherstellen.
Ein typischer Anwendungsfall betrifft Unternehmen mit hybrid cloud-Umgebungen, bei denen Ressourcen zwischen On-Premises- Data Center-Lösungen und Public-Cloud-Diensten orchestriert werden müssen. Mit einer IDP können solche Unternehmen Deployment-Pipelines verwalten, die nahtlos und sicher in beiden Umgebungen funktionieren.
Self-Service-Erlebnis für Entwickler
Der revolutionärste Aspekt der IDPs ist die Autonomie, die sie Entwickler bieten. Über Self-Service-Schnittstellen wie Portale, APIs oder CLIs können Entwicklungsteams:
- Ressourcen anfordern, ohne auf Eingriffe von Operation-Teams zu warten
- Neue Umgebungen eigenständig starten und verwalten
- Anwendungen eigenständig bereitstellen und überwachen
- Auf Werkzeuge und Komponenten zentral zugreifen
Diese Unabhängigkeit beschleunigt nicht nur die Entwicklungszyklen, sondern verbessert auch die Developer Experience (DevX) erheblich, da sich Entwickler auf Wertschöpfung statt auf Infrastrukturverwaltung konzentrieren können. Unternehmen, die IDPs implementieren, berichten daher von gesteigerter Produktivität und erhöhter Innovationsfähigkeit.
Konkrete Vorteile des Platform Engineering für Unternehmen
Die Vorteile des Platform Engineering lassen sich in greifbare Ergebnisse übersetzen, die immer mehr Organisationen dazu bewegen, diesen Ansatz zu verfolgen. Laut Umfragen sind 93 % der IT-Fachleute überzeugt, dass die Einführung einer internen Plattform der richtige Weg für ihr Unternehmen ist.
Reduzierung kognitiver Belastung und Produktivitätssteigerung
Einer der Hauptvorteile von Platform Engineering ist die deutliche Verringerung der kognitiven Belastung für Entwickler. Mit Toolchains, die auf Best Practices basieren, können sich Teams auf den Code konzentrieren, statt sich mit der zugrunde liegenden Infrastruktur zu beschäftigen. Manuelle und sich wiederholende Schritte entfallen – der Fokus liegt auf wertschöpfenden Aufgaben.
Die Ergebnisse sind messbar: 68% der Organisationen berichten von schnelleren Entwicklungszeiten, 59% von gesteigerter Produktivität und Effizienz. Weniger operative Aufgaben bedeuten mehr Raum für Innovation.
Skalierbarkeit und Flexibilität der Entwicklungsteams
Platform Engineering bietet die Möglichkeit, spezialisierte Kompetenzen über den gesamten Entwicklungszyklus hinweg zu skalieren. Überraschend dabei: Kleine Teams mit weniger als 20 Personen können, Hunderte Projekte und Tausende Entwickler unterstützen. Auch das Onboarding neuer Teammitglieder gelingt durch vorgefertigte Arbeitsumgebungen deutlich schneller.
Darüber hinaus macht Platform Engineering Unternehmen flexibel gegenüber sich wandelnden Standards und Betriebsprozessen – ein entscheidender Vorteil auf einem dynamischen Markt.
Sicherheit und zentrale Governance
Mit Platform Engineering werden Sicherheits- und Governance-Aspekte direkt in den Entwicklungsprozess integriert. Standardisierung hilft dabei, unsichere oder instabile Bibliotheken zu filtern und sorgt dafür, dass Logging, Telemetrie und Zugangskontrolle zuverlässig umgesetzt werden.
Integrierte Plattformen ermöglichen die Anwendung einheitlicher Sicherheitsrichtlinien und zentraler Zugriffskontrollen – was die potenzielle Angriffsfläche reduziert. Dies ist besonders relevant angesichts der Tatsache, dass der weltweite Durchschnittsschaden bei Datenschutzverletzungen im Jahr 2023 bei 4,45 Millionen US-Dollar lag.
Optimierung der Developer Experience (DevX)
Die Verbesserung der Developer Experience (DevX) ist zu einem zentralen Ziel geworden – sowohl für die Bindung technischer Talente als auch zur Steigerung der Produktivität. Interne Plattformen schaffen ein optimiertes Arbeitsumfeld, in dem Entwickler über Self-Service Zugriff auf Ressourcen und gemeinsam genutzte Tools haben.
Das Ergebnis: mehr Zufriedenheit und geringere Fluktuation. Entwickler, die intuitive Self-Service-Plattformen nutzen, verbringen weniger Zeit mit Infrastrukturaufgaben und mehr mit kreativer, wertschöpfender Arbeit.
Beispiel: In einem App Modernization konnten Entwickler ihre Refactoring-Zeit um 60% reduzieren, dank einfacher Zugänge zu Templates und vordefinierten Konfigurationen durch die IDP.
Vergleich: Platform Engineering vs. DevOps
Obwohl sie oft als gegensätzliche Ansätze dargestellt werden, sind Platform Engineering und DevOps in Wirklichkeit komplementäre Strategien in der modernen Softwareentwicklung. Ihre Unterschiede und Synergien bieten Organisationen neue Chancen zur Effizienzsteigerung.
- DevOps steht für Autonomie, schnelle Iteration und enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und Betrieb. Es setzt auf kontinuierliche Automatisierung und lässt Teams frei in der Wahl ihrer Tools und Prozesse.
- Platform Engineering hingegen basiert auf Infrastructure as Code (IaC), stellt wiederverwendbare Komponenten bereit und bietet standardisierte Self-Service-Plattformen. Der Fokus liegt auf Konsistenz, Governance und der Schaffung robuster technischer Grundlagen.
Welcher Ansatz ist der richtige?
Die Wahl zwischen DevOps und Platform Engineering hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Projektgröße und Komplexität: Kleine Teams oder Start-ups profitieren oft von DevOps-Flexibilität. Große Unternehmen mit vielen parallelen Projekten und hybrider Infrastruktur benötigen standardisierte Prozesse – ein klarer Fall für Platform Engineering.
- Unternehmenskultur: Flache Hierarchien und hohe Teamautonomie sprechen für DevOps. Wenn dagegen Governance, Sicherheit und Compliance im Vordergrund stehen, ist Platform Engineering die bessere Wahl.
- Technologische Reife und Cloud-Strategie: Unternehmen mit moderner, cloudbasierter Infrastruktur profitieren von IDPs. Wer noch auf Legacy-Systeme setzt, beginnt möglicherweise mit DevOps als ersten Schritt zur Modernisierung.
Integration beider Ansätze
Die optimale Lösung besteht oft in der Kombination beider Modelle. Platform Engineers stellen eine robuste, standardisierte Umgebung bereit, auf der DevOps-Teams schnell, sicher und effizient Software liefern können.
Typische Werkzeuge sind hier: Versionskontrolle, automatisiertes Deployment, Monitoring und Self-Service-Portale – alles vereint in einer integrierten Plattform.
Die unternehmerische Transformation durch Platform Engineering
Platform Engineering ist heute ein zentraler Hebel für Innovation, Effizienz und Sicherheit in der Softwareentwicklung. Durch Automatisierung, Standardisierung und Developer-Self-Service entstehen strukturierte, skalierbare IT-Umgebungen.
Internal Developer Platforms bilden das Rückgrat dieser Entwicklung: Sie entlasten Entwickler, ermöglichen schnelle Releases und stellen sicher, dass Infrastruktur konsistent und sicher betrieben wird.
Platform Engineering und DevOps sind kein Widerspruch, sondern zwei komplementäre Konzepte. Das eine bringt Struktur und Governance, das andere Agilität und Teamautonomie. Zusammen schaffen sie die Basis für nachhaltige digitale Innovation.
Für Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben und technologische Talente gewinnen wollen, lautet die zentrale Frage nicht mehr „Ob?“, sondern „Wie integrieren wir Platform Engineering erfolgreich in unsere Strategie?“